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Frank Richter - 1a-faksimile
 
Der Welsche Gast
Der erste "Knigge" in deutscher Sprache


Das Lehrgedicht Der Welsche Gast ist die älteste umfassende Verhaltenslehre in deutscher Sprache. Ein gelehrter Romane aus dem Friaul, Thomasin von Zerklaere, hat sie um 1215/16 verfasst und wohl auch den Bilderzyklus zu diesen Versen angeregt. Die unterhaltsame Dichtung war im Mittelalter sehr beliebt. 25 Textzeugen sind erhalten, nur wenige davon illustriert. Die am reichsten ausgestattete Handschrift wird in der Forschungsbibliothek Gotha verwahrt. Mit 120 Miniaturen begeistert dieser Codex aus dem 14. Jahrhundert seine Betrachter. Stark gestikulierende Gestalten mit geschwungenen Spruchbändern, Ritter im Kampf, Menschen beim Spiel, zur See und in anderen Situationen, Tiere, Engel und Teufel bevölkern die Seiten. Verse und Bilder lassen die Gedankenwelt des Mittelalters lebendig werden und dabei erstaunlich viele Parallelitäten zur heutigen Zeit erkennen.


Lehrgedicht für die deutsche Zunge

Der Welsche Gast ist als ein Lehrgedicht von rund 15000 Versen konzipiert. Der Autor, Thomasin von Zerklaere, widmete es um 1215/16 der hier als adlige Dame versinnbildlichten "deutschen Zunge", d.h. dem deutschsprachigen Adel im Reich der Staufer und Welfen, die sich dort seit 1198 einen erbitterten Kampf um das Königtum lieferten. In der Folge war es zu Sittenverfall und anderen Übeln gekommen, die der dichtende "Gast" aus Italien im Verhalten der weltlichen und geistlichen Herren ausmacht. Aufgerüttelt durch die unheilvollen Verhältnisse seiner Zeit, unternimmt Thomasin den großartigen Versuch, die Gesellschaft durch Bildung, Erziehung und die Anleitung zu tugendhaftem Handeln wieder zu bessern.


In 10 Büchern zum besseren Dasein

Das wesentliche Anliegen des Welschen Gastesist die Vermittlung höfischer und religiöser Normen des Verhaltens sowie ethischer Bildungsinhalte. Das Hauptaugenmerk gilt dabei den Tugenden und Lastern. Von zentraler Bedeutung sind hier Werte wie Beständigkeit, Mäßigung, Recht und Freigebigkeit. Thematisiert werden u.a. das Benehmen bei Tisch, die Treue in der Ehe, der Umgang mit irdischen Gütern, die Pflichten eines guten Herrschers und die Auswirkungen des menschlichen Tuns auf das Leben im Jenseits. Thomasins Werk ist in 10 Bücher unterteilt. Das erste unterweist die höfische Jugend im richtigen Betragen, während die folgenden Bücher die Herren und Ritter, Damen und Kleriker an ihre gesellschaftliche Vorbildfunktion erinnern.

Von Süddeutschland nach Gotha

Die in Gotha behütete Handschrift des Welschen Gastes ist die mit der reichsten Bildausstattung. Über den Auftraggeber, der den Text und die begleitenden Bilder um 1340 sorgfältig von einer heute verlorenen Vorlage abschreiben ließ, ist nichts bekannt. Die Schreibsprache deutet in den ostfränkischen Raum. Von dort führt die Spur nach Regensburg, wo der Codex zwischen 1477 und 1516 seinen eleganten Ledereinband erhielt. Bis mindestens 1543 war der Welsche Gast im Besitz der adligen Familie Raidenbuch, deren Wappen sich auf dem Widmungsbild (fol. 101r) findet. 1580 kam die Handschrift in die Hofbibliothek nach München, wo sie 1632 von Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar erbeutet wurde und schließlich nach Gotha gelangte.


Handschrift und Faksimile im Überblick

Der Welsche Gast in Gotha ist die am reichsten bebilderte Handschrift der 1215/16 entstandenen Verhaltenslehre des Thomasin von Zerklaere. Im Faksimile werden die 120
Illustrationen mit ihren kräftig leuchtenden Rot-, Gelb-, Grün- und Blautönen originalgetreu wiedergegeben.

Handschrift: Gotha, Schloss Friedenstein, Forschungsbibliothek, Memb. I 120
Entstehungszeit: um 1340
Entstehungsort: Süddeutschland (ostfränkisches Sprachgebiet)
Format: ca. 32,0 x 23,5 cm
Umfang: 204 Seiten (102 Blatt)
Auftraggeber: unbekannt, Geschenk für eine adlige Dame
Ausstattung: 120 Miniaturen in Deckfarbenmalerei, davon 119 Illustrationen zum Welschen Gast, größtenteils in die Kolumnen inseriert oder an den Seitenrändern, selten halb-, dreiviertel- oder ganzseitig, Widmungsbild mit dem später ergänzten Wappen der bayerischen Adelsfamilie Raidenbuch
Einband: heller Einband aus feinstem Schweinsleder mit Linien, floralen Motiven und Spruchbändern in Blindprägung
Kommentarband (mit Transkription und erstmals vollständiger Übersetzung des Textes ins Neuhochdeutsche) von Holger Runow / Eva Willms / Dagmar Hüpper / Heike Bismark / Katrin Sturm

Die Faksimile-Edition erscheint im Winter 2018/19.

Preis: EUR 5.980,00

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